Kommentar: Sportberichterstattung oder Lobbyismus?
Ganze 250 Sportarten umfasst die Liste von Wikipedia, doch nur die aller wenigsten Sportarten kommen in den Medien wirklich vor. Darunter sind häufig Ballsportarten wie Fußball, Handball, Tennis und Golf, aber auch Leichtathletik und Formel-1 vertreten. Wenn die olympischen Sommer- und Winterspiele stattfinden, wird auch darüber viel berichtet. In den Medien weit gefehlt? Der Kampfsport! Schaut man in die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in die Rubrik Sport, so ist die Dominanz der Fußball-Berichterstattung schnell ersichtlich. Diese Dominanz soll ja darin begründet sein, dass der Fußballsport bei den Deutschen am beliebtesten sein soll. Doch laut einer Exklusiv-Umfrage von Horizont aus dem Jahr 2017, bei der 864 Bundesbürger befragt wurden, stößt Fußball bei den Deutschen auf weniger Interesse als bisher vermutet. „Demnach interessieren sich 42 Prozent der Bundesbürger überhaupt nicht für Fußball, weitere 34 Prozent bringen dem Fußball wenig Interesse entgegen. Stark interessiert sind nur 14 Prozent, 10 Prozent sind sehr stark von dem Thema begeistert.“ (Horizont) Auch bei der Fußball-Europameisterschaft 2021 sanken die Einschaltquoten um ganze 18,5 Prozent im Vergleich zur Europameisterschaft vor fünf Jahren. (FAZ.net) Betrachtet man nun den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, der beinhaltet, dass objektiv, unparteilich und vor allem ausgewogen über alle wesentliche Lebensbereiche berichtet werden soll, wird leider schnell klar, dass dieser Auftrag häufig nicht eingehalten wird, sondern die Einschaltquoten und die generierbaren Gelder im Vordergrund stehen. „Die Zahlen bestimmen, wohin das Geld auf dem deutschen TV-Werbemarkt fließt […]: Je mehr Menschen einschalten, desto höher der Preis für die Spots in den Werbeinseln.“ (brand eins) Dadurch geht der Großteil des Budgets im Deutschen Sportbund an den Fußball und viele andere Sportarten sind dementsprechend unterfinanziert und werden im Fernsehen und in den Medien zu wenig gezeigt. Das hat auch für viele Kampfsportarten, die meiner Meinung nach durch ihre Vielseitigkeit und die Faszination des Zweikampfs sehr publikumswirksam wären, die Konsequenz, dass sie nicht bekannt und dadurch auch nicht beliebt werden können, solange nicht darüber berichtet wird. Denn nur dadurch kann Interesse für einen Sport geweckt werden und durch das geweckte Interesse können dann wiederum Gelder und höhere Einschaltquoten erzielt werden. Die Einschaltquoten, die den Jetzt-Zustand darstellen, sollten also nicht maßgeblich dafür sein, über welche Sportarten in Zukunft berichtet wird. Außerdem können die Einschaltquoten von Rand- und Kampfsportarten nicht wachsen, wenn diese Sportarten den Fernsehnutzern schlichtweg unterschlagen werden. Laut einer Umfrage von 2016 zu den beliebtesten Sportarten im TV stand das Boxen mit 24 Prozent sogar an Platz 3! An einem mangelnden Interesse der TV-Nutzer*innen am Kampfsport sollte es also nicht liegen. Natürlich liegt es aber auch an den Sportverbänden, bei Kampfsportarten, die für den Laien zu schwer zu verstehen sind, das Regelwerk anzupassen, um den Sport fernsehgerechter darzustellen und für den Laien zu vereinfachen. Außerdem sollten die Sportverbände ihre besten Sportler*innen groß machen, um das Interesse der Medien zu erlangen. „Denn wenn man Sportler bekannt macht, macht man auch den Sport bekannt.“ (Ferdinand Mack) Die Vorarbeit müssen also die Sportverbände leisten. Dann liegt es jedoch an den Medien, offen für Neues zu sein und tatsächlich ausgewogen über die Vielfalt der Sportarten Bericht zu erstatten, um den Teufelskreis der einseitigen Sportberichterstattung endlich zu durchbrechen.
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